Erstellt von W.A. di Bolgherese am 26.08.2008 11:44:59
Ente gut...,alles gut?
Ist die Gastronomie noch zu retten?
Um es gleich vorweg zu nehmen, ich esse gerne gut, trinke ebenso gern einen schönen Wein. So ist es denn auch klar, will man den wunderbaren Konzertabend mit Arcady Volodos im Wiesbadener Kurhaus krönen, reserviert man naheliegenderweise in der Ente.
Die Ente, seit ihren glanzvollen Zeiten an Konzert- und Theater-besucher gewohnt, nimmt denn auch gerne Reservierungen ent-gegen. So flanierten wir die wenigen Schritte vom Kurhaus zur Ente, wurden vom Sommelier weniger herzlich empfangen, denn unsere Reservierung vortragend, schaute dieser - wie ein Vater auf seine spät eintreffende Tochter - auf die Armbanduhr, pochte mit dem Finger auf dieselbe und meinte, daß die Reservierung aber für 22 Uhr notiert wäre. Es war kurz nach 22 Uhr 30 und die Reservierung war selbstverständ-lich für zwischen 22 und 22 Uhr 30 getätigt worden. Und wir waren nach über 25 Jahren Ente, sicherlich nicht die Einzigen, welche nach einem Konzertabend hier zu Gast weilten.
Nun gut. Eine schöne Einstim-mung ist dies sicher nicht, aber man will sich ja nicht die Freuden vorweg verderben lassen. Speise-karten wurden verteilt, auf mein Verlangen erhielt ich die Wein-karte, die - so stellte sich schnell heraus - gegen früher erheblich um wichtige Weltweinlagen gekürzt war. Auf meine Frage nach einem australischen oder südafrika-nischen Shiraz, wurde mir vom Sommellier - leicht Nase rümpfend kundgetan, man habe sich auf die wichtigen Weinregionen be-schränkt und er könne mir aus dem Stammland des Shyra - Frankreich - einen solchen anbieten. Wein-kenner wissen, daß zwischen dem französischen Shyra und einem australischen oder südafrikani-schen Shiraz Welten liegen. Denkt man nur an Penfold oder Conna-mara ist man ganz nah an der Spitze. Das war mein Wunsch.
Aber in Ermanglung tranken wir französischen Shyra. Auch nicht schlecht, aber eben nicht heraus-ragend, dafür war der Preis Spitze. So ist das im Leben.
Die Speisekarte verzeichnete einige wohlklingende Vorspeisen, allesamt ebenfalls zum Spitzen-preis von 26 bis 29 Euro. Haupt-gerichte um 38 Euro und bergan.
Da erwartet man doch etwas vom besternten Enten Chefkoch. Meine erwartungsvollen Begleiter hatten sich allesamt für eine lautmale-rische Entenleber Patè entschie-den. Meine Wahl hörte sich ebenso wohlklingend an: Taubenbrust, Gänseleberparfait, Trüffelvinai-grette...um es abzukürzen.
Der Gruß aus der Küche waren auf schwarzer Schieferplatte servierte Vodkagläser mit leuchtend rotem Melonenmus, dazu ein Zahn-stocher mit einem gelbbraunem Lachs-irgendetwas Röllchen, die Inspiration war sicherlich das allseits bekannte Anchoviesfilet mit Kaper in der Mitte. Was ich denn auch lieber gehabt hätte, denn der fade Lachsbrocken schmeckte mit dem viel zu süßen Melonen-mus recht langweilig bis grauselig. Eine Création aus Resten oder Balanceakt am Rande des guten Geschmacks? Auf der Suche nach spektakulären Neuem geraten viele Köche in einen Bereich, wo der zahlende Gast sich fragt, ob die Création für die Tester der Gourmet Guides entstand oder für den Gast. Ich vermute sehr stark Ersteres. Mich beeindrucken solch artifiziellen Spielereien auf Kosten meines Gaumens und meiner Brieftasche nicht im geringsten - im Gegenteil.
Was dann als vermeintliches Amouse bouche auf kleinem, spitzen, asiatisch Design Teller serviert wurde, stellte sich dann als die bestellte Vorspeise für 29 Euro heraus.
Ikebana wäre eine opulent, ba-rocke Umschreibung für die sich präsentierenden Miniaturen auf dem weiten Weiß des kleinen Tellers. Unter einem krokantähn-lichem Blättchen versteckte sich verschämt das eiskalte Parfait, auf drei nicht zu identifizierenden runden und hauchdünnen Scheib-chen (Kartoffel...Kohlrabi...gar Topinambur...??) in einer glanzlos, faden Vinaigrette, die aber nicht den Hauch von Trüffel erahnen ließ, lag ein - mitsamt einem bizarr verformten, da fritiert - einsames, grünes Blättchen und das Drittel einer halben Taubenbrust. Mit anderen Worten, etwas in der Größe eines Däumlings. Und ich habe keine großen Hände! Aller-dings, das muß ich eingestehen, perfekt blutig gebraten. Wer Salmonellen liebt, der mag’s.
Spätestens jetzt merkt der geneigte Leser, daß dies keine Krönung des Konzertes war sondern eher eine Guillotinierung des guten Ge-schmacks.
Ist die deutsche Gastronomie noch zu retten?! Denn, wie gerade in der - ehemals so berühmten und gastronomisch glänzenden - Ente mit Peter Wodarz, geht es heute doch landein landauf fast überall zu. Und in den immer häufiger ausgestrahlten Kochsendungen, die größtenteils an Peinlichkeiten und platten Dümmlichkeiten kaum zu überbieten sind, sieht man denn jene Gestalten, welche uns den guten Geschmack und Kochkunst nahebringen wollen. Ist das Zeitgeist, oder was?
Ausnahmen gibt es gottseidank, wenn auch wenige, Köche wie Alfons Schuhbeck oder Vincent Klink, würden sich niemals auf ein solches Terrain begeben, da ist die Welt noch in Ordnung und auch durchaus creativ, nicht altbacken.
Wie aber bereits gesagt, werde ich das Gefühl nicht los, daß vieler-ortens nur für das Spektakuläre, den Showeffekt “gekocht” wird, die eigentliche Hauptperson, der zahlende Gast soll sich selbst-verständlich unterordnen, ob es ihm gefällt oder gar schmeckt, scheint völlige Nebensache zu sein. Sind Sie auch ein dummer Gast? Schlucken Sie ihren Ärger mitsamt den zuvor beispielhaft genannten Schöpfungen einfach hinunter? Wenn Sie es tun, wird es in deutschen Küchen bald noch bunter und toller zugehen! Erste Anzeichen dafür sind bereits deutlich sichtbar, die ehemalig - tadellos, weiße Brigade, wird rot und schwarz, gestreift, man trägt bunte Kappen - und die auch noch verkehrt herum- will mit solchen Gags den scheinbar unmündigen Gast noch mehr verunsichern. Lassen Sie sich so etwas nicht bieten. Meiden Sie ganz einfach solche Restaurants.
Zurück zur Ente mit der Beschrei-bung einer weiteren Vorspeise. Richtig, auch 29 Euro und das sah so aus: Wie gehabt, asiatischer, kleiner Teller, darauf die Création einer Entenleberpastete, die mir den Atem verschlug. Ein exaktes, längliches Rechteck - die Pastete - darauf in wechselnder Reihen-folge, feine Achtelchen von sautierter Pflaume, Aal - jawohl, Sie haben richtig gelesen, Aal. Was um alles in der Welt hat den Meisterkoch dazu bewogen Aal mit Entenleber zu kombinieren? Sicherlich nicht wegen des guten Geschmackes. Besagtes Rechteck der Kochkunst stellte sich von der Optik als Arbeit eines puristischen Kindergartenzöglings dar, nur nicht aus Knete und nicht so bunt. Ja,... und sonst war nichts auf dem Teller, weder Sauce noch Blätt-chen, lediglich zwei dünne, hell- und dunkelrote, geschmacklich nicht zu indentifizierende Streifen- (Sauce?)sonst rein gar nichts. 29 Euro.
Auf die Frage des Einladenden an den Sommellier für ein Glas begleitenden Weines wurden ausschließlich deutsche Beeren-auslesen empfohlen. Meine Frage nach Muffato von Antinori oder anderen großartigen Süßweinen wurde wiederum mit spürbarer Arroganz abgetan. “Wir haben uns auf die wichtigsten Weinregionen dieser Welt beschränkt,...!”
Wer die Ente als Gast aus der kürzlichen Vergangenheit her bereits kennt, weiß, daß gerade die Weinkarte des Hauses ob ihrer Qualität und Vielfalt des Ange-botes berühmt war. Anscheinend wird nunmehr im Keller gewaltig gespart, dafür wird versucht dem Gast die eigene Auswahl aufzu-drängen. Immerhin kamen dann zwei Gläser, eines mit einem sechs buttigem Tokai - viel zu veraltet, starke Firne - und eine vom Sommellier geliebte, deutsche Beerenauslese - leider viel zu warm. Wer nun glaubt, dies wäre der gesamte Reigen gewesen, der irrt, denn das Dessert stand ja noch aus. Von allem etwas, so der Wunsch der Tischrunde. Optisch wohltuend und ansprechend, wurden 2 Platten mit je 12 Mini-schälchen - jawohl,... asiatisch - serviert. Die einladenden Häpp-chen sorgten für ein heiteres Geschmacksraten. Stutzig wurde ich aufgrund einer Äußerung zur Crème brûlée - oder auch Trinity cream, nach dem angeblichen englischen Erfinder benannt - die ja eine Mischung aus Eigelb, Milch und Sahne, sowie dem Mark der Vanilleschote besteht, meist aromatisiert mit feiner Orangen-schale, eine simple Angelegenheit mit dem einzigen Gag, daß auf der kalten Crème ein wenig brauner Rohrzucker durch kurze Oberhitze - brûlée -gebrannt - also karame-lisiert wird. Mein Tischnachbar glaubte starken Zimtgeschmack zu erahnen, was mich erstaunte, so probierte ich denn. Die Crème stellte sich als stark angebrannter Pudding heraus. Kein direkter Grund für eine Reklamation, aber den Maître wollte ich es schon wissen lassen. Er bedauerte, daß die japanische Patisseuse bereits im Feierabend weilte. Aha!
Auch wir beschlossen, daß es angeraten wäre den Abend zu beenden mit dem stillen - gegensei-tigen Einverständnis, für künftige Konzert- oder Theaterbesuche ein anderes Restaurant zu wählen. Die letzte kulinarische Enten Erfah-rung lag bereits fünf Jahre zurück, trotz vorheriger Degustation eines Menus, war die Feier mit 60 Personen milde gesagt Mittel-standsniveau, dies geschah noch unter Küchenchef Eisele. Herr Direktor Nüser, schriftlich detail-liert informiert, sah es nicht als notwendig an zu reagieren. Da kann man als Gast nur froh sein, daß man unter der Leitung von Peter Wodarz und einem Maître Kaufmann noch die Glanzeiten der Ente erleben durfte, das waren jedenfalls noch echte kulinarische Erlebnisse.
Irgendwann wird die Ente nicht mehr vom vergangenem Glanz leben können. Waren früher Freitagabend alle Räume ausge-bucht, so waren es diesmal nicht ein Drittel der Gäste, vermutlich proportional zum Gebotenen.
W. A. di Bolgherese